Einen älteren Mann mit gefärbtem Haar empfinden wir als – sagen wir mal komisch. Eine ältere Frau mit grauem Haar als alt. Irgendwie ungerecht, oder? Ich benötigte drei Anläufe, um zu meinen grauen Haaren zu stehen, werde jetzt Silbergrau und bleibe cool. Habe ich vor und wird auch so sein!
Niemals graues Haar. Zugegeben, grau zu werden ist für uns Frauen kein natürlicher Prozess mehr. Für mich jedenfalls nicht. Ich gehöre zu der Generation, in der Haare färben zum guten Ton gehört. Meine Großmutter hat bis zu ihrem Tod – und sie wurde weit über 80 – kein graues Haar an ihrem Kopf zugelassen. Bei meiner Mama wird es nicht anders ablaufen. Und wie bin ich selbst mit meinem Haar umgegangen? Kann nur soviel sagen: Das Haar, das man hat, gefällt einem nicht.
Haarige Geschichten. Zu glatt, zu wenig Volumen, zu braun. Also habe ich mein Leben lang herum getrickst. Dauerwellen für mehr Volumen – so schrecklich habe ich niemals wieder ausgesehen. Blauschwarz, damit das fade Braun belebt wird – habe ich jahrelang gefärbt und mich wohl damit gefühlt. Blonde Strähnchen (ok, es waren eher die Hühnergack-Flecken) mit Limahl-Schnitt – aber daran will ich mich nicht mehr erinnern … Dann kamen die ersten weißen Haare. Ich war damals so um die 30 Jahre alt. Und habe sie gar nicht so richtig wahrnehmen können vor lauter Färberei.
Erster Versuch. Mit vierzig haben sie dann überhandgenommen – die weißen Haare. Da habe ich zum ersten Mal versucht, sie mir raus wachsen zu lassen. Nach zwei Monaten war Schluss damit. Der Grund hieß und heißt Leonidas. Mein jüngerer Sohn war damals neun Jahre alt und fing – wegen dem Nachwuchs – mit den Worten: „Aber so alt bist du ja noch nicht, wie du dann aussiehst“, zu weinen an. Ich färbte brav weiter. Scheinbar war ich selbst noch nicht bereit für Grau.
Zweiter Versuch. Vor zwei Jahren dann das nächste Herantasten. Ein Undercut musste her und mit meiner triftigen Begründung: „Der ist so mühsam nachzufärben, da müsste ich ja jede Woche pinseln, um nicht Silber durchzuglänzen“, überzeugte ich den Liebsten, ihn Grau zu lassen. Auf meine Ansage ganz grau zu werden kam die Antwort: „Aber das macht doch mich älter, wenn ich eine Frau mit grauen Haaren habe“. Zugegeben, der Liebste hat kein einziges weißes Haar. Ich färbte weiter.
Dritter Versuch. Bis jetzt. Es reicht mir. In welcher Welt leben wir, in der es normal ist, dass ein Mann natürlich ergrauen darf und dabei cool bleiben und eine Frau nicht? Fix, basta, ich werde grau. Nicht mehr jede vierte Woche färben und ab der zweiten Woche Ansatzsprays benutzen. Wie herrlich befreiend das doch ist! Keine Sorge – ich verliere weder die Liebe meines Sohnes noch die meines Liebsten. Die finden das mittlerweile auch ok. Leonidas mit den Worten: „Na ja, vielleicht gefällt es dir ja in zwei Jahren nicht mehr und du färbst wieder“, der Liebste meinte: „Aber ja nicht kurz abrasieren“ und mein Ältester, Alexander, kommentierte charmant meine Frage, ob ihm mein graues Haar gefällt mit: „Ich find’s hässlich“.
Projekt „Graues Haar“. Ich finde es mittlerweile spannend. Bin jetzt im dritten Monat nicht färben und wahnsinnig neugierig darauf, wie ich wirklich aussehe. Welche Haarfarbe und -struktur sich Mutter Natur für mich ausgedacht hat. Sogar den Liebsten erwische ich mit dem ein oder anderen genauen Blick auf mich. So eine Mischung aus erstaunt, bewundernd, belächelnd und überrascht, welch Silberfuchs in mir steckt. Er hat die Spannung mit diesen Worten kommentiert:
Eigentlich ist dein „Projekt: Graues Haar“ wie eine Schwangerschaft.
Es wird immer mehr und nach neun Monaten sieht man dann, wie es aussieht.
Es wird langsam. Auf jeden Fall sieht man auf dem Foto einmal den Ist-Zustand meiner Mähne. Offen kann ich sie nicht mehr tragen, da der Nachwuchs gerade einmal vier Zentimeter beträgt. Dementsprechend sind Zopfgummi, Haarspangen und eine Bürste mit Naturborsten meine besten Haar-Freunde derzeit. Und die sind mir gerade allemal sympathischer als Ansatzspray und Haarfärbemittel … But: I keep you posted!
Lesen Sie alle Artikel über meine grauen Haare!
Update:
In der Wienerin ist ein Artikel zu diesem Thema mit mir erschienen!
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